Der Trauermantel by Unni Lindell

Der Trauermantel by Unni Lindell

Autor:Unni Lindell [Lindell, Unni]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2015-06-17T00:00:00+00:00


Tilla Mortensen fing fast sofort an, über den Nähtisch zu reden. Cato Isaksen hatte sich nach der Trauerfeier ins Auto gesetzt und war zur Mutter der vermissten Vesla Mortensen gefahren. Roger Høibakk war in die Stadt zurückgekehrt.

Die Frau war sehr überrascht, als Cato Isaksen sich vorstellte. Sie fuhr sich mit den nassen Händen über ihre breite Schürze.

'Wissen Sie etwas Neues über Vesla?', fragte sie ängstlich. 'Kommen Sie deshalb?'

Der Kommissar wehrte ab und beruhigte sie mit der Versicherung, dass die Polizei nur wissen wolle, was damals wirklich passiert sein könnte.

Tilla Mortensens Gesicht verdüsterte sich, als sie ihn zum Küchentisch führte. 'Aber warum kommen Sie erst jetzt?', fragte sie.

Cato Isaksen seufzte. 'Ich komme aus Oslo', sagte er. 'Eigentlich ist ein anderer Bezirk für die Sache zuständig, aber es sind neue Hinweise aufgetaucht und deshalb würde ich gern kurz mit Ihnen reden. Außerdem war ich schon vor einigen Tagen hier, aber da habe ich Sie nicht angetroffen.'

'Was sind das für neue Hinweise?', fragte sie.

Der Ermittler wurde vom Klingeln des Telefons gerettet. Tilla Mortensen lief eilig hin. Das Gespräch dauerte nicht lange, sie sagte, sie werde später zurückrufen. Cato Isaksen folgte ihr ins Wohnzimmer und erkundigte sich nach Veslas Wesen, nach ihren Interessen und Freundschaften. Ihm fiel ein Bild über der Kommode auf. Ein Konfirmationsfoto, das ein blondes jungenhaftes Mädchen mit kurzen Haaren zeigte. Sie drehte sich halb um und starrte in die Kamera. In ihren Augen schien ein heimliches Licht zu liegen, in dem sich eine gewisse Erwartung spiegelte.

'Sie hat genäht', sagte die Mutter rasch und rang dabei die Hände. 'Ihr Nähtisch steht noch immer hier, im Wohnzimmer. Ich hätte ihn natürlich wegräumen müssen', plapperte sie. 'Aber Vesla hat immer hier gesessen. Ich fand, er solle bei ihrer Rückkehr hier auf sie warten. Aber jetzt weiß ich nicht mehr.'

'Interessiert sie sich für Kleider?' Cato Isaksen benutzte bewusst die Gegenwartsform.

Tilla Mortensen stutzte für einen kurzen Moment. 'Nicht gerade für Kleider ganz allgemein, sondern mehr für Kostüme und künstlerische Dinge. Sie hat die seltsamsten Kostüme genäht, wissen Sie. Keine Vorhänge oder Decken, das nicht. Sondern Glockenblumenkostüme, Weihnachtsmannsmäntel, ein Schmetterlingskostüm. Ich weiß nicht mehr genau, wann sie damit angefangen hat, ich glaube, schon in der Grundschule. Ich hatte das Gefühl, dass sie sich alles Schlimme aus dem Leib nähen wollte. Sie hat selbst einmal gesagt, dass vieles verschwand, sobald sie sich an den Nähtisch setzte. Dass Stoffe und Muster und Farben gewissermaßen wie kleine geheime Welten zu ihr kamen. Sie hatte so viel Fantasie, wissen Sie.'

Jetzt hatte Tilla Mortensen selbst die Vergangenheitsform benutzt. Der Kommissar registrierte, dass die Mutter, vielleicht ohne es selbst so richtig zu wissen, von ihrer Tochter in der Vergangenheit sprach.

'Veslas Vater ist an einem Herzinfarkt gestorben, als sie acht war. Seither waren wir beide allein', sagte die Mutter. 'Und es war schlimm, dass sie Vesla so gequält haben.'

'Davon habe ich gehört. Können Sie mir mehr darüber erzählen?'

'Sie haben fast alle mitgemacht, glaube ich. Ist das nicht immer so, dass ein Kind aus einer Klasse automatisch zum Mobbingopfer wird?'

Cato Isaksen nickte und dachte an seinen eigenen Sohn, Vetle.



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